Fahrzeugchronik der DL 25 "Georg"
Vorwort:
In der Vorstandssitzung vom 12. Januar 1954 wurde beschlossen, eine Kraftfahrdrehleiter von 25 m Länge zu beschaffen. Kreisbrandinspektor Georg Allgöwer wurde beauftragt, mit den Firmen Magirus und Metz Kontakt aufzunehmen.
Das Auswahlverfahren anno 1954
Am Mittwoch, dem 28.4.1954 vormittags 9:30 Uhr wurden die Mercedes-Benz und Magirus Feuerwehrdrehleitern am Westertorplatz vorgeführt. Infolge einer Zeitungsnotiz waren zahlreiche Zuschauer erschienen. Die Leitern wurden ausgezogen und durch wiederholtes Besteigen jeweils eingehend überprüft.
So dann begab man sich um 10:30 Uhr ins Rathaus wo anwesend waren.
- Die beiden Bürgermeister,
die Stadtratsmitmitglieder - Kreisbrandinspektor Allgöwer,
stellv. Kreisbrandinspektor Kleiber,
Führungskräfte der Feuerwehr
In einstündiger Besprechung wurde das Für und Wider der beiden Fabrikate erörtert.
Schließlich stellte man als Hauptvorteil heraus:
Die Mercedes-Benz-Metz Drehleiter ist bis zu ihrem obersten Teil (25 Meter) breiter und hat ein höheres Geländer, wodurch für die zu retten Personen – aber auch für den Steiger – das Gefühl der größeren Sicherheit erzielt wird.
Bei der geheimen Abstimmung mit Zetteln ergab sich unter 15 Feuerwehrleuten eine Mehrheit für das Fabrikat Metz.
Die vom Oberbürgermeister veranlasste offene Abstimmung der anwesenden Stadträte gab einstimmig den Entscheid zugunsten der Drehleiter Fabrikat Daimler-Benz-Metz.
Bestellung
Gemäß dem heutigen Beschluss, der aufgrund der Stellungnahme der Freiw. Feuerwehr erfolgte, wird bei der Daimler-Benz AG, Niederlassung München, eine Mercedes-Benz-Metz Kraftfahrdrehleiter DL 25, vollautomatisch, mit 100 PS Motor gemäß Angebot Nr. 12 335 zum Preis von 51.818,60 DM bestellt.
Lieferfrist: 3 Monate
Memmingen, den 28. April 1954
gezeichnet Dr. Berndl
Oberbürgermeister der Stadt Memmingen
Technische Daten
Klassifizierung: Drehleiter
Indienststellung: 22. September 1954
Im Dienst bis: 18. Juli 1985
Kennzeichen: AB 940-761
später MM A-75
zuletzt MM-209
Interner Name: „Georg“
Funkrufname: Florian MM 31/1
Fahrgestell: Mercedes-Benz
Fahrzeugtyp: LF 3500
Motor: OM 312, 6 Zylinder-Vorkammerdiesel
Reihenmotor
Motorenhersteller: Mercedes-Benz, Werk Gaggenau
Motorleistung: 100 PS bei 3000 U/min.
Hubraum: 4580 ccm
Anzahl Gänge: 5 Vorwärts / 1 Rückwärts
Brennstoffverbrauch: ca. 20 l Diesel auf 100 km
Geschwindigkeit: max. 85 km/h
Zul. Gesamtgewicht: 9000 kg
Aufbau-Hersteller: Carl Metz, Karlsruhe
Abstützung: 4 Fallspindeln
Leitersatz: 4-teilig
Leiterlänge: 25 + 2 Meter
Aufrichtwinkel: 0 – 75 Grad
Besatzung: 1/5
Memminger Zeitung vom 29. April 1954
Metz – Mercedes macht das Rennen
Die Feuerwehr erhält nun ihre neue vollautomatische Drehleiter
Nach drei Vorführungen, genauen Prüfungen und langen Besprechungen sind nun die Entscheidung gefallen: Die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Memmingen erhält eine vollautomatische Drehleiter der Firma Metz, die auf einem Mercedes-Benz-Fahrzeug montiert ist. Die Entscheidung fiel gestern nach eingehender Beratung zwischen Oberbürgermeister Dr. Berndl, zahlreichen Stadträten und den Verantwortlichen der Memminger Feuerwehr.
Vorausgegangen war dieser Beratung eine gemeinsame Vorführung der beiden Fabrikate Metz-Mercedes und Magirus auf dem Westertorplatz. Von so vielen kritischen Augen wie gestern waren die beiden Leitern, die in den letzten Wochen bereits einzeln vorgeführt worden waren, wohl noch kaum begutachtet worden. Überall standen Gruppen von Feuerwehrleuten und Stadträten zusammen und wägten Vorteile und Nachteile der beiden Fabrikate gegeneinander ab. Oberbürgermeister Dr. Berndl ließ sich von Angehörigen der Memminger Feuerwehr, die beide Leitern mehrmals besteigen mussten und die auf eine viele Jahre lange Erfahrung als „Steiger“ bei der Wehr zurückblicken können, deren Meinung über die beiden Leitern sagen.
Nach mehr als einstündiger Begutachtung zogen sich die Verantwortlichen zurück, um in geheime Abstimmung dann die endgültige Entscheidung zu treffen. Die neue Leiter, auf einem 100 PS starken Fahrzeug montiert, ist bei vollem Auszug 25 Meter lang und nach allen Seiten schwenkbar. Zum Fahrzeug wurden auch gleich alle notwendigen Gerätschaften, wie Handfeuerlöscher, Handscheinwerfer und ähnliches angeschafft.
Und der Preis?
Auf den Pfennig 51.818,60 DM.
Auslieferung
Am 21. August 1954 wurden die Kameraden bei der Firma Metz Mercedes in Karlsruhe in die Technik der neuen Drehleiter eingewiesen. Nach der Einweisung wurde das Fahrzeug nach Memmingen überführt.
Auszug aus der Feuerwehr Chronik des Kdt. Georg Allgöwer
Memminger Zeitung vom 2. Oktober 1954
Drehleiter stellt sich vor
Die neue, nach den letzten Erfahrungen im Feuerlöschwesen hergestellte, vollautomatische Drehleiter der freiwilligen Feuerwehr Memmingen, stellt sich der Bevölkerung morgen Nachmittag um 15:30 Uhr auf dem Marktplatz vor. Die Bevölkerung wird sich bestimmt sehr für die neue Leiter interessieren. – Kurz danach werden auf dem Hof der Berufsschule die neusten Schutzanzüge gegen Hitze und Feuer vorgeführt. Die Feuerwehrmänner werden in diesen Anzügen durch meterhohe Flammen stapfen.
Am Josefstag, den 19. März 1955 wurde die neue Drehleiter zum ersten Mal bei einem Brand eingesetzt.
Am Samstag früh gegen 08:00 Uhr wurde sie alarmiert und auf den Schrannenplatz gerufen. Im Dachboden des Weinhauses zum Löwen hatte der Fehlboden Feuer gefangen. Die Feuerwehr setzte zur Bekämpfung des unter dem Boden schwelenden Feuer erstmals ihre neue Drehleiter ein. Der Fußboden musste auf einer Fläche von 12 bis 15 Quadratmeter rausgerissen werden, um an alle gefährlichen Stellen heranzukommen. Wenn das Feuer eine halbe Stunde später bemerkt worden wäre, hätte zumindest das Dachgeschoss des Hauses nicht mehr gerettet werden können.
So ein Bericht der Memminger Zeitung
DL 25 in der Basilika Ottobeuren
In unserem Bilderarchiv befinden sich Bilder, auf denen sich unsere DL25 zu Arbeiten in der Basilika Ottobeuren befindet. Da in unseren Reihen keine Zeitzeugen mehr zur Verfügung stehen, haben wir versucht den ungefähren Zeitpunkt und den Zweck dieser wohl einzigartigen Aktion zu recherchieren. Nach unserer derzeitigen Erkenntnis wurde in der Benediktinerabtei Ottobeuren seit den fünfziger Jahren Instandsetzungsarbeiten zur Sicherung der Bausubstanz und Außenrenovierungen durchgeführt. Eine Innenrenovierung wurde aus Geldmangel zurückgestellt.
Abt Vitalis Maier suchte deshalb nach Fürsprecher, um für die 1964 anstehende 1200 Jahrfeier auch das Gotteshaus und die Abtei im Inneren wieder im neuen Glanz erscheinen zu lassen. 1960 fand er mit dem Fürsten von Waldburg-Zeil einen aufmerksamen Zuhörer. Von nun an nahm der Herzenswunsch von Abt Vitalis Fahrt auf. Am 10. April 1961 wurde in Ottobeuren die „Vereinigung der Freunde der Benediktinerabtei Ottobeuren e.V.“ gegründet. Zweck des Vereins ist mitzuhelfen, „das geistes- und kunstgeschichtliche Erbe der Benediktinerabtei Ottobeuren zu bewahren, zu pflegen und weiten Kreisen zugänglichen zu machen“.
In den nächsten 3 Jahren wurden Spenden von Privatpersonen, Firmen und Institutionen durch den Verein gesammelt. Auch mit Zuschüssen vom Freistaat Bayern, einem Zuschuss des Landes Baden-Württemberg und aus Zuschüssen des Bundes wurde die Renovierung finanziert.
Die unter Leitung des Leutkircher Konservator Josef Lutz durchgeführte Innenrenovierung begann im Spätherbst 1961 und dauerte bis Anfang 1964.
Aus diesem Zeitraum stammen vermutlich die Aufnahmen mit unserer Drehleiter in der Basilika. Bei dem Zweck des Einsatzes dürfte es sich um Restaurierungsarbeiten an schwer zugänglichen Stellen handeln. Aus Überlieferungen wissen wir, dass vor dem Hauptportal der Basilika eine Rampe aufgebaut wurde, damit die Drehleiter in das Kirchenschiff einfahren konnte. Im Bereich der Portaltüren seien zwischen Fahrzeug und Gebäude nur wenige Zentimeter für die Durchfahrt zur Verfügung gestanden. Dieser einmalige Arbeitseinsatz dauerte mehrere Tage, während dieser Zeit verblieb die Drehleiter in der Basilika.
Das erste Fahrzeug nach der Vereinsgründung wird restauriert
Die Drehleiter war das erste Großfahrzeug, das nach der Vereinsgründung restauriert wurde. Aufgrund fehlender Erfahrung wurde hier beim Abbau diverser Fahrzeugteile zu wenig dokumentiert (die Digitalfotografie stand uns noch nicht zur Verfügung) und somit gestaltete sich der Wiederaufbau äußerst schwierig.
Der Zusammenbau war spannend und hat uns so manches AH-Erlebnis beschert.
Die Drehleiter DL 25 wurde im Zeitraum 1989 – 1990 in all ihre Einzelteile zerlegt, auch der Leiterpark wurde von der Lafette genommen, entrostet, defekte Teile ausgetauscht, wobei hier besonderes Augenmerk auf die Verwendung von Originalteilen fiel, um dann in neuem Glanz zu erstrahlen.
Ihre zweite Jungfernfahrt führte dann zum 125 jährigen Feuerwehrjubiläum nach Berchtesgaden im Sommer 1990.
Im Jahr 2004 feierte die Interessengemeinschaft alter Memminger Feuerwehrfahrzeuge den 50sten Geburtstag unserer DL 25 mit einem Drehleitertreffen, an dem 140 Drehleitern teilnahmen. Eine Veranstaltung, die es wohl in dieser Form und Größe nicht mehr geben wird.
Im November 2023 musste die DL 25 „Georg“ nach nunmehr nach 33 Jahren wieder für einen längeren Zeitraum in unsere Werkstatt (wir berichteten). Es stehen diverse Reparatur- und Verschönerungsarbeiten an.