Mercedes-Benz, Metz Drehleiter DL30 h
Klassifizierung: Hubrettungsfahrzeug
Indienststellung: | 14. Dezember 1962 |
Im Dienst bis: | 12. August 1996 |
Kennzeichen: | MM-H 998 |
später MM-215 | |
Interner Name: | „Heinrich“ |
Funkrufname: | Florian MM 10 |
später Florian MM 30/1 | |
zuletzt Florian MM 30/2 |
Nach der Außerdienststellung wurde das Fahrzeug
an die Partnerstadt Tschernihiw/Ukraine abgegeben.
Technische Daten: Hersteller
Fahrgestell: | Mercedes-Benz |
Fahrzeugtyp: | LF 322/48, Radstand 4800 mm |
Motor: | OM 321, 6 Zylinder-Vorkammerdiesel |
Reihenmotor | |
Motorenhersteller: | Mercedes-Benz, Werk Gaggenau |
Motorleistung: | 132 PS |
Hubraum: | 5070 ccm |
Getriebe: | 5-Gang-Getriebe |
Brennstoffverbrauch: | ca. 20 l Diesel auf 100 km |
Geschwindigkeit: | max. 80 km/h |
Zul. Gesamtgewicht: | 10 to |
Aufbau-Hersteller: | Carl Metz, Karlsruhe |
Leiterlänge: | 30 Meter |
Abstützung: | Fallspindel |
Leiterantrieb: | Hydraulisch, zentrale Hydraulikpumpe |
Besatzung: | 1/5 |
Im September 1954 erhielt die Memminger Feuerwehr ihre erste Drehleiter mit einer Steighöhe von 25 Metern. Es handelte es sich um eine mechanische Drehleiter mit Fallhacken. Die Stadt Memmingen wuchs und so wurde 1959 das erste „Memminger Hochhaus“ in der Buxheimer Straße errichtet.
Mit der vorhandenen Drehleiter waren die oberen Stockwerke des Gebäudes nicht mehr zu erreichen. So dachte man über die Anschaffung einer längeren Drehleiter nach. Die Bayerische Bauordnung schreibt vor, dass bei Gebäuden mit einer Höhe von mehr als 20 Metern ein zweites Treppenhaus notwendig ist, oder als zweiter Rettungsweg eine Drehleiter der Feuerwehr vorhanden sein muss.
Bei der Abholung neuer Fahrzeuge, die die Feuerwehr Memmingen anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens von der Stadt Memmingen erhielt, wurde dem Kommandanten im Herstellerwerk eine neuartige hydraulische Drehleiter vorgeführt.
In der Verwaltungsratssitzung im Dezember 1960 berichtete der Kommandant über die Vorführung und die Notwendigkeit einer neuen hydraulischen Drehleiter. Bei der Besichtigung im Sommer wurden der Feuerwehr Memmingen die Vorteile dieses neuen Leitertyps erläutert. So werden bei der hydraulischen Drehleiter alle Leiterbewegungen hydraulisch und nicht mehr mechanisch ausgeführt, was ganz neue Möglichkeiten im Einsatz erlaubt.
Bei der Verwaltungsratssitzung im April 1961 informierte Kommandant Kleiber die anwesenden Herren über die Vorführung eines LF 8 auf MB 319 mit Metz-Aufbau. Ein weiterer Diskussionspunkt war die Anschaffung eines Notstromaggregates und eines Mannschaftstransportwagens (VW Kombi). Vordringlich war jedoch die Beschaffung einer neuen Drehleiter.
Das Bayerische Landesamt für Feuerschutz war mit der Beschaffung einer zweiten Drehleiter für Memmingen nicht einverstanden. So wurde von Herrn Kuchtner behauptet, dass es keine Stadt in Bayern gibt, die 2 mechanische Drehleitern besitzt.
Der Schriftführer der Memminger Feuerwehr wurde beauftragt, alle Städte anzuschreiben, um festzustellen, wie viel Drehleitern diese im Einsatz haben.
Nach einer Besichtigungstour von Feuerwehreinrichtungen in den Städten Landshut, Regensburg und Amberg wurde eindeutig festgelegt, dass eine automatische Drehleiter (30 Meter) nach wie vor notwendig und Bedürfnis Nr. 1 der Feuerwehr ist.
Im Oktober 1961 standen der Feuerwehr noch Haushaltsmittel in Höhe von 50.000 Mark zur Verfügung.
Diese Mittel sollten wie folgt verwendet werden:
- Anschaffung eines Notstands-Elektro-Einsatzwagens
- Erstausstattung einer Funkausrüstung
- Anschaffung eines Mannschaftstransportwagens VW Kombi
Die Anschaffung eines Schlauchtenders wurde zurückgestellt.
Bei der Generalversammlung der Freiwilligen Feuerwehr Memmingen am 29.11.1961 stellte der Kommandant Kleiber in seinem Bericht fest:
Leider ist es uns noch nicht gelungen, eine neue Drehleiter 30 zu bestellen. Kommandant Kleiber wies jedoch ausdrücklich und offiziell darauf hin, dass bei eventuellen Unglücks- oder gar Todesfällen, die durch das Fehlen einer Leiter verursacht werden, der Stadtrat Memmingen die alleinige Verantwortung zu tragen habe.
14 Tage später, nämlich am 13. Dezember 1961 lud der Kommandant zu einer weiteren Vorstandssitzung ein. Er eröffnete die Sitzung und teilte mit, dass die Herren eingeladen seien, um über das Fabrikat der Leiterbeschaffung zu entscheiden. Nach kurzer Diskussion wurde einstimmig beschlossen, das Fahrgestell von Mercedes-Benz zu nehmen. Für den Leiteraufbau stimmten die Anwesenden für die Firma Metz. Die Anwesenden, die nur den Aufbau der Firma Magirus kannten, enthielten sich der Stimme.
Die Drehleiter wurde im Frühjahr 1962 nach den Wünschen der Feuerwehr bei der Firma Metz in Karlsruhe bestellt und am 18. Dezember 1962 auf dem Memminger Marktplatz der Feuerwehr übergeben.
So berichtete die Memminger Zeitung mit folgender Überschrift:
Drehleiter "Heinrich" erfordert mutige Männer
Stadtfeuerwehr erhielt neues Großgerät - Am Marktplatz mit Sekt getauft
Die Szenerie war ähnlich wie vor 4 Wochen:
Der nächtliche Marktplatz von Memmingen erstrahlte im Scheinwerferlicht, die Spielleute der Feuerwehr bearbeiteten ihre Kalbfelle und die Querpfeifen jubilierten – mit recht übrigens, denn die Stadtfeuerwehr erhielt als neustes Großgerät eine voll hydraulische Drehleiter modernster Bauart von Oberbürgermeister Dr. Heinrich Berndl feierlich übergeben. Das imposante Fahrzeug mit seinem Spezialaufbau war erst am Tage vorher von einem Kommando der Memminger Wehr im Herstellerwerk übernommen und von Karlsruhe in die Mau Stadt überführt worden. Tief griff dafür der Stadtrat in den Säckel, denn immerhin wurden rund 96 000 DM investiert.
Es war ein nicht alltäglicher Anblick, als vor dem Rathaus in der Dunkelheit die 3 Drehleitern unserer Wehr aufgefahren waren: Die ganz alte Leiter von anno dazumal die 1954 angeschaffte Drehleiter mit 25 Meter Ausfahrhöhe und der Star des Abends die Riesenleiter mit ihren 30 Metern Gipfelhöhe. Als der Oberbürgermeister den Platz betrat, flammten die Scheinwerferbündel auf und Kommandant Kreisbrandinspektor Hans Kleiber begrüßte die Gäste und das sich rasch ansammelnde Publikum der interessanten Schau.
(Auszug aus MZ)
So wurde die neue Leiter, eine der höchsten in Schwaben auch bald in Alarmpläne bis ins benachbarte Leutkirch aufgenommen.
Für die Fahrer und Maschinisten der neuen Drehleiter war die Bedienung einfacher als bei der 1954 beschafften 25-Meter-Drehleiter. So musste nicht mehr auf die Fallhaken (die die ausgefahrene Leiter blockierten) geachtet werden, die Leiter konnte in jeder Leiterstellung angehalten werden. Das Rangieren in engen Gassen erforderte allerdings viel Muskelkraft. Da das Fahrzeug über keine Lenkhilfe verfügte, war das Rangieren manchmal schon schweißtreibend und anstrengend. Von der Drehleiter aus wurde so manche Brandmauer bei Bränden von landwirtschaftlichen Anwesen von einem Feuerwehrmann auf der Leiter mit einem Strahlrohr gehalten.
Zum Besteigen der Leiter musste der Motor abgestellt werden, um ein Verfahren der Leiter im bestiegenen Zustand zu verhindern.
Der Feuerwehrmann, der mit einem Steigergurt gesichert war, bekämpfte die Flammen von oben. Ihm folgte ein zweiter Mann auf der Leiter, der den Schlauch nachzog und sicherte.
Bei größeren Bränden kam auch ein Wenderohr zum Einsatz. Dieses wurde mit einer Arbeitsleine von unten gesteuert. Es waren nur Bewegungen nach oben und unten möglich. Eine seitliche Bewegung war nur durch Drehen des Leiterparks möglich.
Die Personenrettung erfolgte ebenfalls über die Leiter. An der Leiter befand sich auch ein Abseilgerät (Liberator). Damit konnten Personen in einem Rettungsgeschirr mit Seilbremse senkrecht abgeseilt werden. Im Feuerwehrjargon hieß dieses Gerät bezeichnenderweise auch „Eierquetscher“. Später wurde es durch ein neues Gerät, dem Rollgliss, ersetzt.
Als die Drehleiter zu einem medizinischen Notfall auf einer Baustelle alarmiert wurde, stellte sich heraus, dass die Feuerwehr Memmingen kein Gerät zur Rettung einer liegenden Person besitzt. Bei der Rettung aus dem ersten Obergeschoss wurde improvisiert und der Verunfallte über die Leiter liegend zu Boden gebracht. Sofort wurde ein Schleifkorb beschafft, mit dem in Verbindung mit dem Rollgliss Personen horizontal und vertikal gerettet werden konnten.
Bis zum 12. August 1996 versah die DL 30 Heinrich ihren Dienst bei der Memminger Feuerwehr und wurde dann an die Feuerwehr der Partnerschaftsstadt Tschernihiw in der Ukraine abgegeben.