Notstromfahrzeug "Luna"

Klassifizierung: Gerätewagen

Indienststellung:November 1962
Im Dienst bis:1978 FW Memmingen Feuerwache 2 und 1
ab 1978 Ortsteilfeuerwehr Volkratshofen
1992 Aussonderung
Kennzeichen:MM-223
Interner Name:„Luna“
Funkrufname:Florian Memmingen 69/1

Titelbild Notstromfahrzeug Luna

Technische Daten: Hersteller

Fahrgestell:Mercedes-Benz
Fahrzeugtyp:L 319 D, Radstand 2850 mm
Motor:OM 621 II, 4 Zylinder-Reihenmotor
Wassergekühlt
Motorenhersteller:Mercesdes-Benz
Motorleistung:50 PS bei 4000 U/min
Hubraum:1.988 ccm

Getriebe:4 Gang (4 Vorwärts-, 1 Rückwärtsgang), Lenkradschaltung
Brennstoffverbrauch:ca. 15 l Diesel auf 100 km
Zul. Gesamtgewicht:3.600 kg
Geschwindigkeit:max. 90 km/h
Bremsen:Öldruck-Einkreis-Vierradbremse
Stockhandbremse auf Hinterrad
Aufbau:Kaspar Klaus, Memmingen
Besatzung:1:1

Besonderheit: Blinker und Hupe werden über einen Signalring im Lenkrad betätigt.

Das Notstromfahrzeug "Luna" bei der Memminger Feuerwehr

Das Bayerische Landesamt für Feuerschutz hat nach der verheerenden Hochwasserkatastrophe im Jahr 1954, bei der fast der gesamte südostbayerische Raum ein einziges Katastrophengebiet war, zur Bildung von Notstandseinheiten aufgerufen. Bei diesem Einsatz, bei dem über 1.000 Feuerwehren mit rund 20.000 Feuerwehrleuten fast 3 Tage pausenlos im Einsatz waren, erwies sich die bestehende Organisationsform als riesige Herausforderung.
Aber auch die zunehmende Anzahl von technischen Hilfeleistungen, wie Verkehrsunfälle, Sturmschäden oder sonstige Unglücke unterstrich die Notwendigkeit von Notstandseinheiten. Nach sorgfältiger Planung kam das Bayerische Landesamt für Feuerschutz zu der Ansicht, dass ein Netz von mindestens 45 Notstandseinheiten mit einem Ausrückebereich von 30 Kilometern Radius vom jeweiligen Standort aus notwendig sind, um im ganzen bayerischen Gebiet im Falle eines Notstandes innerhalb der ersten Stunde wirksame erste Hilfe leisten zu können.

Am 19. August 1955 beschloss der Verwaltungsrat der Memminger Feuerwehr eine Notstandseinheit nach den Vorgaben des Landesamtes aufzustellen. Bereits 1954 wurde erstmals ein sogenannter Lichttrupp bei einer Übung eingesetzt. Mit der Beschaffung eines Lkws für die Notstandseinheit wurde 1957 ein erster Schritt getan. Ab 1958 begann die Ausbildung der Feuerwehrleute für diese neue Einheit.

Am 16. Januar 1958 berichtete die Memminger Zeitung über die Aufstellung und die Aufgaben dieser neuen in Bayern eingeführten Notstandseinheiten.

Im April 1961 befasste sich der Verwaltungsrat der Memminger Wehr mit der Beschaffung eines Notstrom-Generators. Dieser sollte in einem VW-Kombi mit Zubehör verlastet werden. Die finanzielle Seite der Beschaffung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt. So war die Überlegung, ein anderes Fahrzeug der Feuerwehr zu veräußern, um für die Neuanschaffung genügend Finanzmittel zur Verfügung zu haben.

Durch einen glücklichen Zufall waren im Haushalt der Stadt noch Restmittel von 50.000 D-Mark vorhanden, die nun mit zur Beschaffung herangezogen werden sollten. So konnten von diesem Betrag unter anderem, ein neuer VW-Kombi, das besagte Notstromfahrzeug mit Funkausrüstung beschafft werden. Unabhängig davon wurde von der Stadt Memmingen eine Drehleiter DL 30 beschafft.

Anfang November 1961 wurde von der in Memmingen ansässigen Fahrzeugbaufirma Kaspar Klaus ein Angebot für den Um- und Ausbau eines Notstromfahrzeuges vorgelegt, das von der Feuerwehr für gutgeheißen wurde.

Bei der Jahresversammlung der Freiwilligen Feuerwehr Memmingen Ende November 1961 wurden die Feuerwehrmitglieder informiert, dass der Stadtrat die Anschaffung eines neuen VW-Kombis, sowie das Notstromfahrzeug und eine 30 Meter Drehleiter genehmigt hatte. Über die Fahrzeugbeschaffung aus Restmitteln des Haushaltes 1961 berichtete die Memminger Zeitung Mitte Dezember 1961.

Bei dem Notstromfahrzeug handelte es sich um eine Neuentwicklung beziehungsweise um einen Prototyp. Ein solches Fahrzeug war in Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch nie geplant, beziehungsweise gefertigt worden.

Für den Aufbau wurde dann nicht der ursprünglich geplante VW-Kombi verwendet, sondern ein größeres Fahrzeug des Fahrzeugherstellers Mercedes-Benz mit 3,6 Tonnen Gesamtgewicht.

Am 20. November 1962 wurde dann das Notstromfahrzeug auf dem Memminger Marktplatz, dem Stadtrat und der Memminger Bevölkerung im Rahmen einer kleinen Vorführung präsentiert.

So verfügte das Fahrzeug über 2 Hatz-Diesel-Stromgeneratoren mit einer Leistung von je 4000 Watt und erhöhter Stromfrequenz von 200 Hz. Weiter waren 9 Scheinwerfer, diverse Kabeltrommeln und Zubehör im Fahrzeug verlastet. Auch Elektrowerkzeuge sowie ein Be- und Entlüftungsgerät waren neben anderen Geräten im Fahrzeug vorhanden.

Mit der Inbetriebnahme des neuen Fahrzeuges wurde die Notstandseinheit um eine wichtige Komponente erweitert.

Notstromfahrzeug bei einer Übung

Die ersten Einsätze ließen auch nicht sehr lange auf sich warten. So war das Fahrzeug unter anderem bei einem Zugunglück in Altenstadt und bei mehreren schweren Verkehrsunfällen und Bränden im Landkreis und der Stadt eingesetzt.

1968 wurde der Notstands-Lkw durch einen neuen Gerätewagen (GW 2) ersetzt. Erst mit dem Einbau eines 20 KW Aggregats in den Gerätewagen (ebenfalls durch die Firma Klaus) verlor langsam das Notstromfahrzeug an Bedeutung. Inzwischen wurden Einsatzstellen nicht mehr mit Scheinwerfern, sondern mit leistungsfähigeren Halogen-Strahlern ausgeleuchtet.

Mit der Eingemeindung von Volkratshofen in die Stadt Memmingen (1978) wurde das Fahrzeug zu einem „Hilfeleistungs-Tragspritzen-Fahrzeug“ umgebaut. Ein Stromaggregat und 4 Scheinwerfer verblieben im Fahrzeug. Der Rest wurde entfernt und durch eine Tragkraftspritze (TS 8) und mit Schläuchen und Geräten zur Brandbekämpfung ersetzt.

1992 wurde das Fahrzeug dann außer Dienst gestellt und an einen Wohnwagenhändler verkauft.

Das Fahrzeug ist heute noch als Wohnmobil (2023) unterwegs.