Feuerwehrhaus II am Gerberplatz / Lindentorstraße

Am 5. März 1934 schrieb der Ober-Kommandant Simon Niggl an den Stadtrat der Stadt Memmingen folgenden Brief:

Betreff: Ausbau der Lindenfärbe als Feuerwehrhaus II

Infolge des vermehrten Raumbedarfs des „Allgäuer Beobachters 1*)“ der zusammen mit der dritten und vierten Löschkompanie im Gebäude der Sommerschranne untergebracht sind, besteht die dringende Notwendigkeit, für eine anderweitige und zweckmäßige Unterbringung der Feuerlöschgeräte der beiden Kompanien Sorge zu tragen.

Zu diesem Zweck ist die „Lindenfärbe“ in der Lindentorstraße ausersehen.
Über den Umbau dieses Gebäudes wurde der beiliegende Plan und ein Kostenvoranschlag ausgearbeitet.

In der Lindenfärbe können nach dem Umbau folgende Geräte untergebracht werden:

Im Erdgeschoss:

  1. Die beiden Leitern der dritten und vierten Kompanie und deren Schlauchwagen.

  2. Der Autosprengwagen, da dieser gleichzeitig als Feuerlöschgerät dient.

  3. Die alte Feuerwehrleiter, die wegen Platzmangel seit längerer Zeit und ohne Aufsicht im Anwesen der ehemaligen Hasenbrauerei untergebracht ist.

  4. Die alten Saug- und Druckspritzen, die zum Auspumpen von Kellern bei Überschwemmungen noch benötigt werden.

  5. Außerdem wird zur Ausbildung der Feuerwehrmannschaften im Gasschutz ein Übungs- und Prüfraum benötigt, der dort ohne besondere Kosten eingerichtet werden kann.
Plan Lindenfärbe Erdgeschoss
Quelle: Stadtarchiv Memmingen

Im ersten Obergeschoss:

  1. Ein Versammlungs- und Vortragsraum für die Feuerwehr, den diese ebenfalls dringend benötigt, ferner eine Wohnung für einen Hausmeister (Sprengwagenführer oder dergleichen)  

Und somit waren die ersten Schritte zum Umbau der Lindenfärbe als Feuerwehrhaus II getan.

Die Gesamtkosten waren mit 11 500 Reichsmark veranschlagt.

Quelle: Stadtarchiv Memmingen

Am 23. März 1934 wurde der Aus- bzw. Umbau der Lindenfärbe als neues Feuerwehrhaus II vom Stadtrat beschlossen.
Im Mai 1934 wurden die Arbeiten ausgeschrieben.

Die Lindenfärbe 1934 vor dem Umbau zum Feuerwehrhaus II
Quelle: Stadtarchiv Memmingen
Zeitungsausschnitt von 1934
In der Presse wurde das Winterbauprogramm 1934/35 der Stadt Memmingen veröffentlich und darin war obenstehender Absatz enthalten.

Am Montag, den 25. März 1935 wurde die umgebaute Lindenfärbe von Bürgermeister Dr. Berndl an die Feuerwehr als Feuerwehrhaus II zur Nutzung übergeben. Untergebracht waren hier die 3. und 4. Kompanie der Memminger Feuerwehr mit ihren Geräten und den zwei neuen Kleinmotorspritzen. Der städtische Sprengwagen fand hier auch sein neues Heim.

Während des Krieges wurde aus der 3. und 4. Kompanie der Löschzug Süd.

Beim schweren Fliegerangriff am 20. April 1945 wurde das Viertel um den Gerberplatz stark verwüstet. Auch das Feuerwehrhaus II war betroffen.

Die große Wohnungsnot nach dem Krieg ging auch am Feuerwehrhaus II nicht vorbei. Außer den Garagen wurden alle Räume in Wohnungen umgewandelt.

Das Feuerwehrhaus II hatte nach dem Krieg keine eigene Mannschaft mehr. Im Alarmfalle wurde ein Maschinist zum Feuerwehrhaus II gefahren, der dann das entsprechende Fahrzeug zum Feuerwehrhaus I am Ratzengraben holte.

Welche Fahrzeuge und Geräte bis in die 50er Jahre dort untergestellt waren, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass der Notstands-LKW „Methusalem“, ein von der Feuerwehr beschaffter Magirus S 3000 LKW mit Plane dort untergebracht war.

Zerstörung soweit das Auge reicht
Quelle: Stadtarchiv Memmingen
Feuerwache 2

Gebäude nach dem Umbau zum Feuerwehrhaus 2
Quelle: AZ-Buch „Memmingen einst & heute“

Ab 1962 war dann auch das NSF (Notstromfahrzeug) „Luna“ dort untergebracht. In einem Bereich war auch zeitweise das Landesschlauchdepot des zivilen Bevölkerungsschutzes (ZB) untergebracht. Mit dem Neubau des Feuerwehrhauses in Benningen wurde das Depot dorthin verlagert.

Nachdem dem Umzug des Busbahnhofs vom Hallhof zum Gerberplatz, wurde ein Garagenstellplatz als Wartehalle mit Toilette umgebaut. Somit standen der Feuerwehr nur noch 2 Stellplätze zur Verfügung.

Ab dem Jahr 1968 wurde dann der neu beschaffte GW „Herkules“ als Ersatz für den Notstands-LKW dort stationiert.

Nach der Übernahme des alten Kolonnenhauses des BRK wurde das Notstromfahrzeug zum Ratzengraben verlegt. Der freigewordene Platz in der Lindenfärbe wurde dann von verschieden Fahrzeugen belegt. So waren ein Kombi und die DL 25 dort zeitweise untergestellt.

Mit der Planung des neuen zentralen Busbahnhofes am Bahnhof wurde in der Lindentorstraße ein neues Postgebäude geplant. Mit dessen Neubau endete die Geschichte des Feuerwehrhauses II und der Lindenfärbe am Gerberplatz. Die dort noch untergestellten Fahrzeuge wurden zum Feuerwehrhaus I am Ratzengraben und in die Garagen der alten Kläranlage verlegt. Dort standen sie bis zum Baubeginn der Landesgartenschau 1998.

1*) eine ehemalige Zeitung in Memmingen