Magirus Kraftfahrspritze 10 Typ „Bayern“

Klassifizierung: Löschfahrzeug

Indienststellung:2. März 1923
Im Dienst bis:27. April 1938
Kennzeichen:IIZ-2602
Interner Name:unbekannt
Funkrufname:Keiner

Kraftfahrspritze Typ 10

Technische Daten: Hersteller

Fahrgestell:1,5 to mit Vollgummireifen
Fahrzeugtyp:Typ 1 CS mit Rechtslenkung
Motor:V 95 Vierzylinder Ottomotor
Motorleistung:34 PS
Brennstoffverbrauch:ca. 22 l Benzin auf 100 km
Geschwindigkeit:max. 45 km/h

Aufbau:Magirus Werke Ulm
Aufbaubesonderheit:Leitergerüst (so konnten tragbare Leitern mitgeführt werden)
Pumpentyp:Magirus Hochdruck Zentrifugalpumpe Typ Z1
Pumpenleistung:1000 l/min Normleistung bei 6 bar
Gesamtgewicht:4 to
Besatzung:1/5

Beschaffung der ersten Motorspritze für die Stadt Memmingen

Nach dem verheerenden Großbrand am 9. August 1921 in der Memminger Innenstadt, bei dem 8 Gebäude zerstört wurden, konnte die Memminger Wehr mit ihren Handdruckspritzen diesem Inferno nur wenig entgegensetzen. Erst als die angeforderten Motorspritzen aus Kempten und Ulm eintrafen, konnte dem Roten Hahn Einhalt geboten werden.

So vermeldet der Chronist:

„Das Brandunglück vom neunten dieses Monats hat gezeigt, dass die besten Löscheinrichtungen, die man bisher als vollkommen ausreichend erachtet hat, beim Zusammentreffen mehrerer misslichen Umstände nicht ausreichen, um einem großen Schadenfeuer Herr zu werden.

Das Schlauchmaterial, das auch innerhalb der Feuerwehren verschiedene Schlauchweiten aufwies und mit unterschiedlichen Kupplungen, Verschraubungen und Übergangsstücken versehen war, führte mit zu dieser kaum noch beherrschbaren Brandausbreitung.

Der Schaden hätte um die Hälfte verringert werden können, wenn eine Motorspritze schon im Augenblick als die Kemptener Motorspritze zu Hilfe gerufen wurde, also eine Stunde früher hätte eingesetzt werden können.“

Bienenkorbbrand 1921
Vorne am Stadtbach zu sehen: Die Kemptener Motorspritze auf einem Opel Fahrgestell

Schon am 18. August 1921 befasste sich der Memminger Stadtrat mit der Anschaffung einer Automotorspritze.

So steht im Protokoll des Stadtrats:

… „diese Erkenntnis hat beim Stadtrat zu dem Entschluss geführt,
eine automobile Motorspritze anzuschaffen, wenn zu den Anschaffungskosten von etwa 220.000 Mark genügend Zuschüsse
vonseiten des Landes, des Bezirks, der Industriellen und der Hausbesitzer geleistet werden.

Bereits am 20. September 1921 wurden alle Gemeinden vom Bezirksamt Memmingen angeschrieben:

…„aufgrund der guten Erfahrung mit der Kemptener Motorspritze bei dem letzten großen Brande in Memmingen ist die Stadt, Gemeinde Memmingen ernstlich gewillt, in kürzester Zeit für sich eine Kraftfahrspritze zu beschaffen und mit dieser auch Umlandhilfe im Bezirk zu leisten. Welchen Nutzen durch die Stationierung der Motorspritze in Memmingen auch für die Landgemeinden des Bezirks ist, brauche nicht weiter erörtert werden.

Zeitungsausschnitt vom Memminger Volksblatt, Quelle: Stadtarchiv Memmingen

Es ist daher nicht nur also billig, dass die Landgemeinden, welche infolge günstiger Wasser- und Wegverhältnisse an der Beschaffung der Spritze hauptsächlich interessiert sind, auch ihrerseits durch Barzuschüsse deren Beschaffung erleichtern.“

Auch das bayerische Innenministerium war nicht untätig und erließ am 16.09.1921 folgende Verordnung.

Anordnung des Bay. Innenministeriums
Sonder-Abdruck aus dem "Bayerischem Staatanzeiger" Nr. 216 vom 16. September 1921
Quelle: Stadtarchiv Memmingen

Aufgrund des Schreibens des Innenministeriums, meldeten sich 22 Bezirke und Gemeinden, die eine Beschaffung einer Motorspritze planten.

Das Ministerium und die Landesfeuerwehrversammlung wurden bei der Firma Magirus vorstellig und handelten besondere Konditionen für die Motorspritze Modell „Bayern“ aus.

…“ Eile tut Not, weil ein für das Normgerät (1,5 Tonnen, 800 Liter)  bis 1.1.1922 geltende Angebot der Firma Magirus mit 225 000 Mark nicht von der Hand gewiesen werden sollte.“

Heißt es in einem weiteren Schreiben des Ministeriums.

Eine Sammelbestellung, anno 1921.

Weitere Weisung des Bay. InmSt.
Quelle: Stadtarchiv Memmingen

Die Memminger Feuerwehr hatte aber noch einige Wünsche bei der Gerätebestückung.
So sollte auf dem Fahrzeug eine Leitergalerie zur Aufnahme einer Schiebeleiter geschaffen werden.
Ebenso sollten die Geräte des „Weckerlinienwagens“ mit übernommen werden.

Dies führte zu einigen Abstimmungsgesprächen und Verzögerungen.
War das geplante Fahrgestell mit 1,5 to. überlastet?

Oder musste auf das 2 to. Fahrgestell ausgewichen werden, das aber fast 300.000 Mark kostete.

Zeichnung Magirus Kraftfahrspritze
Zeichnung Motorspritze Typ "Bayern"
Quelle: Stadtarchiv Memmingen
Kraftfahrspritze mit den Änderungen
Zeichnungsentwurf Motorspritze Typ "Bayern" mit gewünschter Leitergalerie
Quelle: Stadtarchiv Memmingen

Letztlich konnten alle Fragen geklärt werden und so genehmigte der Memminger Stadtrat in einem Beschluss am 16. Dezember 1921 die Beschaffung der Motorspritze des Modells „Bayern“ mit 1,5 to.

Nun, mit der Beschaffung der Motorspritze war es aber noch nicht getan. So musste das Feuerwehrhaus am Ratzengraben baulich für die Unterstellung des Fahrzeuges vorbereitet werden. Hierfür waren 16.000 Mark erforderlich.

Aber auch für die Motorspritze waren weiter erforderlich:

400 Meter Druckschläuche für die beiden Haspeln der Spritze
400 Meter desgleichen als Reserve zur jeweiligen sofortigen Ergänzung der nassen und verschmutzten Schläuche nach Übung und Bränden
70 Stück Storz Kupplungen hierzu.

Das neu zu beschaffende Schlauchmaterial hat eine Schlauchweite von 52 Millimeter, während die hier in Verwendung befindlichen Schläuche eine solche von 45 Millimeter aufweisen. Solange die Vereinheitlichung des gesamten Schlauchmaterials nicht restlos durchgeführt ist, sind zur Ermöglichung der Zusammenschlüsse der verschiedenen Schlauchweiten und Kupplungen die entsprechenden Übergangsstücke unbedingt notwendig.

Zum Anschluss an die städtische Wasserleitung mit ihren verschiedenen Hydranten sind ferner zweierlei Sammelstücke notwendig.

Der Kostenvoranschlag enthält außerdem eine kleine ausziehbare Stützleiter, eine Stockwerksleiter, eine Handpumpe und 3 elektrische Sicherheitslaternen. Die Ausrüstung der Motorspritze mit den letztgenannten Geräten wird vom feuerwehrtechnischen Standpunkt aus für dringend notwendig erachtet, weil es nicht ausgeschlossen ist, dass während der Abwesenheit der Spritze anlässlich eines auswärtigen Brandes die Weckerlinie zu einem Brand alarmiert wird.

gez. E.Städele
I. Kommandant

Durch die zusätzlichen Kosten stieg der Anschaffungspreis auf insgesamt fast 400.000 Mark. Dies war für die Stadt viel mehr
als geplant und so wurden die Gemeinden über das Bezirksamt nochmals aufgefordert, ihre Zuschüsse zu verdoppeln.

Auch die Bürger der Stadt und die Industriellen wurden nochmals ersucht, ihre Spenden zu erhöhen.
So kam alleine von den Gemeinden des Bezirks eine Summe von 65.600 Mark zusammen.

Im August 1922 teilte die Firma Magirus mit, dass die Motorspritze nicht zum vereinbarten Termin geliefert werden kann.
Ferner wird der Preis durch die äußeren Umstände erst bei Auslieferung der Spritze  bekannt gegeben.

Als Gründe führten sie auf:

… „deren Beseitigung nicht in unserer Macht liegt, kann uns eine Schuld nicht zugemessen werden.
Zuerst verschiedene Teilstreiks bei unseren Unterlieferanten, dann der berüchtigte Eisenbahner-Ausstand
ließen trotz den größten Bemühungen unsererseits, die zur Ausführung der rasch aufeinander eingegangenen
Aufträgen benötigten Rohmaterialien nur spärlich in unsere Fabrik eingehen.“

Im Oktober 1922 hatte sich der Preis für die Motorspritze schon verzehnfacht.
So forderte Magirus z.B. von der Gemeinde Aichach 2.925.000 Mark.

Im Dezember 1922 wurde von Bestellern der Motorspritzen erwogen, Magirus wegen des Lieferverzuges und der damit verbundenen Preissteigerungen zu verklagen. Davon wurde aber abgesehen.

Allerdings mussten 8 Gemeinden wegen Geldmangels vom Kauf zurücktreten.

Artikel Memminger Volksblatt
Bericht Memminger Volksblatt vom 3.2.1923
Quelle: Stadtarchiv Memmingen
Aber auch das Innenministerium reagierte auf die massive Inflation in Deutschland.
Quelle: Stadtarchiv Memmingen

Am 17. Januar 1923 wurde die Stadt Memmingen zur Rohbauabnahme nach Ulm eingeladen.

Die Abnahme erfolgte am 26. Januar 1923 in den Magirus Werken Ulm, durch die Kommandanten Eugen Städele und Niggl.

In der Niederschrift an den Stadtrat steht:

„Es hat sich hierbei ergeben, dass die Motorspritze in allen Teilen den Vertragsbedingen entspricht und dass das Gerät in der Ausführung, wie in der Form und Aufbau zu keinen Beanstandungen Veranlassung gegeben hat.

Die abgehaltenen Spritz- und Ansaugproben an der Donau, ergaben sehr gute Leistungen. Ebenso die darauffolgende Probefahrt auf der Stuttgarter Landstraße und auf einem anschließenden Gemeindeverbindungsweg von einer Gesamtlänge von 20 km, wobei infolge der zu überwindenden Steigungen und den bestehenden Schneeverhältnissen erhebliche Anforderungen an das Fahrzeug gestellt wurden.“

Einladung zur Rohbauabnahme der Motospritze
Quelle: Stadtarchiv Memmingen

Ferner wurde bei der Rohbauabnahme auch die Farbgebung des Fahrzeuges festgelegt.

„Der Anstrich wurde normal rot mit schwarzer Fassung gewählt. Als Aufschrift kommt „Freiwillige Feuerwehr Memmingen“ in Betracht, mit Wappen nach den übergebenen 2 Vorlagen, welche sofort nach Gebrauch an den Stadtrat Memmingen zurückzusenden sind.
Außerdem soll die Jahreszahl 1922 angebracht werden.“

Die Firma Magirus teilte am 26. Februar 1923 mit, dass die benzin-automobile Magirus-Motorspritze fertiggestellt sei.
Die Überführung könne gleich nach Begleichung der Kaufsumme von 18.914.000 Mark erfolgen.

Nach Einweisung der Maschinisten in Ulm, wurde die Motorspritze am 2. März 1923 von einem Magirus Mitarbeiter nach Memmingen chauffiert.

Die feierliche Übergabe der Motorspritze, an die „Weckerlinie“ der Feuerwehr Memmingen, fand durch Bürgermeister Braun, Vertretern der Stadt und des Landkreises auf dem Memminger Marktplatz am Sonntagnachmittag, den 4. März 1923 statt.

Ein Bericht des Memminger Volksblattes vom 5. März 1923 schreibt dazu:

„Die Vorführung der Motorspritze hatte am Sonntag nachmittags 2 Uhr eine überaus große Zuschauermenge auf den Marktplatz gelockt, so dass Absperrungsmaßregeln getroffen werden mussten.

Neben Bürgermeister Braun als Vertreter der Stadt waren unter anderem erschienen:
Oberregierungsrat Dr. Meuschel als Vertreter des Bezirks
Bürgermeister Fergg – Ottobeuren mit einigen Gemeinderäten
Kreisfeuerwehrvertreter Vögele – Augsburg
Direktionsrat Schmidt – Memmingen
Kreisrat Hefele – Holzgünz etc.

Neue Magirus Motorspritze

Als die Motorspritze unter Glockenzeichen anrückte, ging durch alle Reihen ein „Ah“ der Bewunderung, machte sie doch durch die hervorragend schöne Ausführung, dem schneidigen Bau, die vielen Messingteile und die praktische Anordnung aller Geräte den denkbar günstigsten Eindruck. Bereits Samstags fand die Probefahrt statt, die über Memmingerberg nach Ungerhausen und zurück und dann nach Eisenburg führte. Hier bildete der steile Berg einen gewünschten Gradmesser für die Leistungsfähigkeit des Motors. Glatt und ohne Aufenthalt erklomm der 1½ to.-Wagen, besetzt mit 10 Mann, den Berg. Gewiss eine prächtige Leistung.“

Die von Zugführer Otto Schnabel verfasste Festschrift zum 70-jährigen Bestehen der „Weckerlinie“ im Jahre 1973 enthält noch ein pikantes Missgeschick zur Übergabe der Motorspritze.

„Die Motorspritze sollte auf dem Marktplatz von Bürgermeister Braun eingeweiht werden. Leider passierte einem Kraftfahrer der Weckerlinie kurz vorher ein Malheur: Obwohl der Weg zwischen Turnhalle und Feuerwehrhaus breit genug war, streifte er mit dem wertvollen Fahrzeug die Wand und der Kotflügel war zerbeult. Schnellstens wurde er abmontiert, bei Schlossermeister Angerer in der Werkstatt ausgerichtet, wieder anmontiert und neu lackiert. Noch nicht getrocknet, wurde das Fahrzeug auf den Marktplatz zur Einweihung gefahren und die Männer der Weckerlinie mussten sich so postieren, dass der Bürgermeister seine Kleidung oder Finger nicht mit Farbe beschmierte.“

In den darauf folgenden Wochen fanden zahlreiche Übungsdienste mit der neuen Motorspritze statt.

Auch die Feuerwehrkameraden, der an der Finanzierung beteiligten Gemeinden, wurden hier mit eingebunden. Das stärkte nicht nur die Kameradschaft untereinander, sondern vermittelte auch den Memminger Feuerwehrleuten detaillierte Ortskenntnisse der zahlreichen Gemeinden, was im Einsatzfall allen zugutekam.

Kraftfahrspritze Typ Bayern

Die FF Ottobeuren erhielt am 21.04.1923 ebenfalls eine Magirus Motorspritze gleicher Bauart zum Preis von 62 Millionen Mark.

Die „Leichte Bayern“, wie sie in Ottobeuren genannt wird, erfreut sich nach 100 Jahren bester Gesundheit und ist bei Oldtimertreffen immer ein Anziehungspunkt.

Nach 15 Jahren im Einsatz bei der Memminger Feuerwehr, wurde die Motorspritze nach Markt Rettenbach verkauft. Der Verkauf war zur Finanzierung der leichten Kraftspritze „LK“ 1938 erforderlich.